Das zentrale zugrunde liegende theoretische Prinzip ist das der optimalen Passung zwischen Lernangeboten einerseits und Lernvoraussetzungen andererseits. Aus lern-, motivationsund entwicklungspsychologischer Sicht gibt es zwischen Unterforderung und Überforderung eine optimale, lernförderliche Zone der Schwierigkeit und Komplexität von Lernangeboten. Vygotski nannte diese Zone die »zone of proximal development«, also den Entwicklungsbereich, den Lernende mit passender externer Unterstützung in absehbarer Zeit erreichen können. Besonders lernfördernd sind daher dosierte Diskrepanzerlebnisse zwischen aktuellem Wissensstand und einem höheren, nur durch mentale Anstrengung mit schwierigen, aber eben nicht zu schwierigen Aufgaben erreichbaren Niveau. Dauerhafte Überschreitungen der Obergrenze (Überforderung) können einen Teufelskreis auslösen, der von leistungsbeeinträchtigender Furcht vor Misserfolg, Verlust an sozialer Anerkennung, reduzierter Lernaktivität bis hin zu verstärktem Misserfolg führt. (Helmke 2013)
Die Zone der proximalen Entwicklung beschreibt die Differenz zwischen einem aktuellem Entwicklungsstand eines Kindes, bestimmt durch die Fähigkeiten selbstständig Probleme zu lösen, und potentiellem Entwicklungsstand, der dadurch bestimmt ist, Probleme unter der Anleitung anderer zu lösen. (Stangl, 2018).
Analog | Digital |
---|---|
Direkte Interaktion | indirekte Interaktion |
Veränderung der Erklärung möglich. | Veränderung der Erklärung nicht möglich |
limitierte Anzahl von Wiederholungen | unlimitierte Anzahl von Wiederholungen |
Erklärender gibt das Tempo an | individuelles Tempo |
oft nur ein Lernweg (Zeitmangel) | mehrere Lernwege einfach erstellbar |
Einen Lehrer kann man nicht ersetzen. Die zwischenmenschliche Arbeit und die direkte Interaktion sind unschätzbar wertvoll. Dennoch kann man den Unterricht an den richtigen Stellen mit digitalen Arbeitsmöglichkeiten anreichern, um sich (1) zu entlasten und (2) mehr Lernwege für die Kinder anzubieten.
Viele Studien zeigen, dass ein guter Frontalunterricht den größten Erfolg bei der Masse der SchülerInnen hat. Warum also sollten Lehrende nicht mit Lernvideos arbeiten, die einen guten Frontalunterricht mit visuellen und auditiven Stimuli anreichern, individuelles Tempo und eine unlimitierte Anzahl von Wiederholungen bietet?
Sowohl Albers, Magenheim und Meister (2011) als auch Schulz Zander und Stadermann verstehen das Internet und seine Applikationen als eine Möglichkeit, »individuelle Lernmöglichkeiten wahrzunehmen« (Stadermann/Schulz-Zander 2012, S. 53). Dieses Verständnis umfasst vor allem Trainings- und Übungsprogramme sowie Simulationsprogramme und Planspiele (vgl. Albers/Magenheim/Meister 2011, S. 9). Hierbei ist zu beachten, dass die Wissensvermittlung in »hohem Maße vorstrukturiert ist« (ebd.). Jedoch lassen sich durch instruktive Elemente »heterogene Lerngruppen differenziert« fördern (vgl. Stadermann/Schulz-Zander 2012, S. 53).
Man kann sich Bilder des “Globe Theatre” ansehen, einen Text lesen oder heutzutage auch ein 3D Modell nutzen und hierbei unterschiedlichste Aufgaben (while-viewing tasks) formulieren. Man kann die Vorteile des Lernens mit digitalen Medien im Verbund z.B. mit dem Text nutzen. Auszüge aus Stephen Greenblats Circulation of Social Energy in Renaissance England sind für SchülerInnen sehr schwierig zu verstehen - nicht nur aufgrund der komplexen Schreibweise, sondern weil die Vorstellung eines elisabethanischen Theaters nicht in den Köpfen der SchülerInnen verankert sein kann. Wenn man sich vor dem Lesen des Textes virtuell durch das Theater bewegen kann, kann z.B. durch visuelle Stimuli und das eigene ‘Erleben’ ein Verständnis ermöglicht werden, indem die Anordnung der Ränge, bestimmte Perspektiven u.ä. deutlich werden.
Im Gegensatz zu einer klassischen Textaufgabe können Lerner mithilfe des 3D-Modells unterschiedliche Lernwege beschreiten und Leseverständnis sowie audiviosuelles Verständnis in einer Aufgabe verknüpfen. Hierbei wird gerade dem schwachen Leser zum Vorteil, dass er komplexe Erläuterungen des Textes durch visuelle Stimuli nachvollziehen und aus einer eigenen (memorierbaren) Perspektive nachvollziehen kann. Jedoch können auch begabte SchülerInnen intertextuelle Bezüge herstellen, ein klares Verständnis und eine klare Vorstellung vom elisabethanischen Theater entwickeln und sogar Lücken in Greenblats Theorie entdecken.
Die produktionsorientierte Nutzung digitaler Medien zielt insbesondere auf die »Präsentation und Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen in multimedialer Form, z.B. im Web 2.0« (Stadermann/ Schul-Zander 2012, S. 54) ab. Es können Fotos oder Filme, FlashAnimationen, 3D-Gestaltungen (z.B. Modelle) oder 2D-Gestaltungen erarbeitet werden. Hierbei erwerben die Schüler nicht nur instrumentelle Fähigkeiten, sondern auch eine »erweitere Schreibkompetenz« (ebd.) – wie etwa durch eine Dokumentation, Aufbereitung und Reflexion des Vorhabens. Die Zielsetzung der Produktentwicklung kann sich auf verschiedenen Ebenen abspielen: für die klasseninterne- schulische- oder externe Nutzung (ebd.). Das produktorientierte Arbeiten birgt oft den Vorteil hoher Motivationskurven (vgl. Albers/Magenheim/Meister 2011, S. 9)
Beim forschenden Lernen ist der Lernweg »weniger vorstrukturiert als bei Lernprogrammen in klassischer Form« (Albers/Magenheim/ Meister 2011, S. 9). Dennoch enthält es kollaborative Arbeitsphasen, in denen »Aktivitäten wie das Sammeln und Klassifizieren von Informationen oder das Formulieren von Hypothesen, das Planen und Durchführen von Experimenten sowie das Interpretieren von Ergebnissen stattfinden« (Albers/Magenheim/Meister 2011, S. 9). Vor allem die Ko-Konstruktion von Wissen sollte bei Vorhaben des forschenden Lernens im Vordergrund stehen (Stadermann/Schul-Zander 2012, S. 53).
In einem meiner Englisch-(Grund-)Kurse habe ich für eine Unterrichtsreihe zum Thema Globalisierung eine Lernplattform erstellt, auf welcher die Schüler einen Materialpool, sinnvolle Links und Videos sowie einige Hinweise zur Planung der Reihe finden konnten. Ziel der Reihe war es, Blogeinträge über ein spezifisches Thema zu veröffentlichen, Querbezüge zu anderen Themen der Globalisierung herzustellen und letztlich an einem fingierten Kongress als Experte für das in der Stammgruppe erarbeitete Thema teilzunehmen. Die Schüler verfügten über einen Chat, die Möglichkeit zu bloggen sowie kooperative Schreibdokumente und Foren. Die Schüler arbeiteten in Gruppen von 3–4 Personen gemeinsam an einem Thema, das sie in Bezug auf die Globalisierung am meisten interessierte oder auch tangierte (sofern ein Bezug zum anglophonen Raum bestand). Hierbei wurde schnell deutlich, dass die Schüler sich durch die Kooperationsmöglichkeiten (auch außerhalb des Unterrichts) auf der Lernplattform schnell in Diskussionen (in der Zielsprache) über die spezifischen Aspekte ihrer Themen und die Weiterarbeit verstrickten, begannen über den Materialpool hinaus Informationen, Texte, Links, Videos etc. eigenständig auszuwählen, zu bewerten und darüber zu sprechen, ob diese auch wirklich verwendbar seien. Diese Art und Weise der offenen Unterrichtsgestaltung brachte einige Schüler an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, zeigte ihnen jedoch, wie gewinnbringend die Ko-Konstruktion von Wissen für das Ergebnis ist.
Ein kostenloses Angebot (bis 2025) ist das mBook:
Der Grundgedanke des mBook GL ist das differenzierte Lernen am gemeinsamen Gegenstand. Dafür wurde das bestehende mBook NRW mit einer “Magic Toolbar” erweitert. Dieses Werkzeug ermöglicht es Lernenden, genau die Hilfe zu bekommen, die sie benötigen. Die Bandbreite der Unterstützung reicht von technischen Rezeptionshilfen (eingesprochene Texte als Audios, Übersetzungsfunktion für zahlreiche Sprachen, alternative Schriftart, Einstellungen der Seitenhintergründe und Helligkeitsvarianten) über ein Auswahlmenü für Textkomplexitäten bis hin zu neuen inhaltlichen Herangehensweisen, z. B. in Form personalisiert erzählender Animationsvideos. 15 neue Kapitel, die Inklusion und Exklusion zum Inhalt machen, sowie Lehrerhinweise zum Gemeinsamen Lernen, bieten weitere Unterstützung. Medienberatung NRW
Quellen: